Czernowitz und die Bukowina – 3.5.2018

Ich könnte auch sagen, Czernowitz die SCHÖNE und FREUNDLICHE.

Die Fahrt von Lemberg nach Czwernowitz war echt gut, wir brauchen nur fünf Stunden für ca. 260 km.

Das kann ich jetzt sagen, denn während ich diesen Beitrag schreibe, befinden wir uns schon in Odessa. Und auf der Fahrt von Czernowitz nach Odessa haben wir unser bisher größtes Abenteuer zu bestehen. Doch dazu schreibe ich später mehr. Jetzt geht es erstmal um unser Erleben in Czernowitz.

Nachdem wir die Stadt erreicht haben brauchen wir noch ca. eine Stunde, bis wir endlich unser Hotel finden. Google maps führt uns ständig irgendwohin, wo unser Hotel nicht ist. Die Adresse befindet sich in einer Fußgängerzone, doch das hatte uns weder Booking.com mitgeteilt, noch das Hotel. Dem Personal ist unsere Situation, die Suche nach der Adresse, ziemlich gleichgültig. Ich finde es dazu auch wenig freundlich, wie sie mit Nadja am Telefon reden. Mit etwas Glück finden wir dann endlich den bewachten Hotelparkplatz. Er befindet sich direkt an der Kathedrale.  Die Kirche braucht auch Geld für den Aufbau – genauso wie das ganze Land.

Wir müssen unser Gepäck nach der anstrengenden Fahrt jetzt durch die Fußgängerzone schleppen. Da wir uns zumindest teilweise selbst versorgen, der tägliche Frischkornbrei ist dabei obligatorisch, haben wir einiges zu schleppen. Wir haben auch noch unser eigenes Obst, Käse, Wurst, Brot, Sahne, Nüsse dabei. Zuerst reagierten die Leute vom Hotel auch hier ziemlich gleichgültig. Doch Nadja ist eine gute Lehrerin, sie macht dem Hotelpersonal liebevoll und freundlich klar, was wir unter Service verstehen. Und es klappt, ein junger Mann hilft uns das Gepäck zu transportieren. Wir erhalten auch noch eine Schüssel in unserem Zimmer, damit wir das gemahlene Getreide für den nächsten Morgen einweichen können.

So sind wir dann doch glücklich in unserem Zimmer angekommen und können uns zur Ruhe begeben.

Am nächsten Morgen frühstücken wir ausgiebig. In der Frühstücksküche hilft Marina Nadja beim schnippeln (unser Obst!!) und wir werden von Marina bestens versorgt. Marina ist für uns das Kontrastprogramm zu dem Servicepersonal vom Ankunftsabend. Eine total freundliche Frau, die sich echt gut kümmert und allein durch ihre Anwesenheit eine schöne Atmosphäre schafft.

Das Hotel ist fest in deutscher Hand. Ein Paar aus Berlin und zwei Dresdner Paare sind auch hier und wollen sich diese schöne Stadt ansehen. Ich fühle mich fast schon wie zu Hause.

Nach dem Frühstück besuchen wir die Stadt:

 

Es ist jetzt doch vorteilhaft, dass wir das Hotel haben, wir sind gleich mitten drin. Die schöne Fußgängerzone ist sehr einladend zum Spazieren.

Nadja hat irgendwo entdeckt, dass es am Abend ein Konzert in der Philharmonie gibt. Es findet anläßlich eines 25jährigen Jubiläums statt. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Intendant für die Folkloregruppen in Czernowitz seit 25 Jahren tätig und wird mit der Veranstaltung für sein großartiges Engagement geehrt. Das Hotelpersonal hat uns die letzten Karten im Parkett organisiert – die sind jetzt sehr freundlich und hilfsbereit – und wir machen uns gleich auf den Weg, um uns die Karten abzuholen.

Wir verbringen den Tag mit Faulenzen und Organsieren. Das Mittagessen ist ukrainisch; wir essen bei „Nemo“. Die Inhaberin bedient uns. Sie ist sehr nett, kennt Deutschland und das Essen im Nemo ist sehr gut. Ein Lokal zum Wohlfühlen. Die Baurbeiter, die nebenan für die Eröffnung eines „Wiener Cafe“ Marmor bearbeiten, machen bald Mittagspause. Nadja sorgt mal wieder freundlich und bestimmt für unser Wohlbefinden. Ich verstehe zwar nicht, was sie den Männern sagt, das Ergebnis der Unterhaltung erlebe ich jedoch gleich. Ich glaube, mit meinem Deutsch oder Englisch wäre ich nicht so weit gekommen.

Nach einer ausgiebigen Mittagsruhe machen wir uns auf den Weg in die Philharmonie. Das kleine Schwarze und ein Sakko sind auch im Gepäck; die Kultur soll ja nicht zu kurz kommen.

Ich bin echt erstaunt, die Philharmonie ist bis auf den letzten Platz besetzt. Jung und alt ist da. Einige haben Blumen dabei. Es ist ein großes Gedränge und ich bin echt gespannt auf den Abend.

Dann beginnt die Kapelle und ein gemischter Chor mit den ersten Beiträgen. Ich bin sehr berührt von der wunderschönen Musik und dem Gesang. Die Menschen auf der Bühne tragen die farbenfohen bukowinischen Trachten und sind mit ganzem Herzen dabei.

Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Applaus.

Ich bin sehr froh, dass wir an dieser Veranstaltung teilnehmen dürfen. Ich freue mich darüber, den Stolz der Menschen in der Bukowina auf ihre Kultur und Traditionen zu erleben. Nadja kennt die Lieder teilweise und singt mit. In ihrer Heimat wird auch ukrainisch gesprochen. Brest ist ja nicht weit weg von der Ukraine. Es ist für Nadja auch so schön, dass ihr die Tränen kommen. So wie Nadja an ihre Kindheit erinnert wird, so eriinert es mich an mein Heimatdorf. In meiner Kindheit wurden noch viele Volkslieder im Vogelsberg gesungen, wenn im Dorf gefeiert wurde. Wer konnte, war dabei und hat mit der Gemeinschaft gefeiert.

Besonders freut es mich, dass hier in Czernowitz die jungen Leute an den Veranstaltungen so selbstverständlich teilnehmen. Das ist für mich Pflege der Kultur; so etwas gibt es nach meiner Erfahrung in Deutschland nur noch selten.

Die Ukraine braucht so dringend diese Identifikation mit der eigenen Kultur und Vergangenheit. Ich glaube, das gibt den Menschen Freiheit und das so wichtige Gefühl der Zusammengehörigkeit. Mir persönlich gibt es die Hoffnung, dass es die Ukraine doch noch schafft, einmal in die EU aufgenommen zu werden, auch wenn im Moment noch die Strukturen dafür schmerzlich zu vermissen sind.

Ich lerne hier in der Ukraine sehr viel. Während meiner Reisvorbereitungen haben wir von Prof. Adolf Hampel schon sehr viele Informationen erhalten, über diese Region mit den vielen Kulturen, die hier zusammengelebt haben. Doch dieser Folkloreabend in der Philharmonie und das direkte Erleben dieser Menschen hier, diese herzliche Atmosphäre, das ist für mich etwas ganz Besonderes.

Wie vielfältig die Kulturen in Europa doch sind. Und Galizien ist ja auch schon von den Kelten besiedelt worden. Die keltische Kultur ist für mich die europäische Kindheit. Wir haben in den letzten 2500 Jahren noch nicht wirklich gelernt Europäer zu sein, doch mir bleibt die Hoffnung, dass Europa doch noch zusammenwächst.

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